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EDGAR KNOBLOCH

… über das Zeichnen, über die Welt

 

Meine künstlerische Arbeit ist genuin grafischer Natur.

Natürlich hat es Ausflüge in benachbarte Medien gegeben, aber wie auch immer diese ausgingen - gezeichnet habe ich immer und immer wieder. Und es scheint mir, zurück- und vorausschauend, ganz offensichtlich, wie es so schön heißt, das mir eigentlich gemäße Medium zu sein: um mich auszudrücken, mich zu unterhalten - mit der Welt, über die Welt.

Mehr und mehr schätze ich die vermeintlich so unspektakulären Werkzeuge des Zeichners, den kontemplativen, alle Sinne fordernden Vorgang des Zeichnens, drinnen wie draußen, und die geistreiche Distanz zwischen Abbild und Welt.

 

Umfangreiche Serien von Portraits und Landschaften, historische Bildzitate und sogenannte ungegenständliche Zeichnungen entstehen so, über lange Zeiträume hinweg, durchdringen einander inhaltlich und formal und bezeichnen in vielfarbigem Grau mein Bemühen, mir aus unterschiedlichsten Perspektiven ein Bild zu machen — von der sogenannten Wirklichkeit - auf der sich stoisch drehenden Kugel …

 

Vielen meiner Zeichnungen liegt daher unübersehbar Biografisches zugrunde. 

So, wie andererseits nicht wenige meiner Arbeiten Ausdruck sind einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit gegenwärtigen und historischen Vorbildern: mit Leben und Werk zahlreicher Literaten und Philosophen, mit Gelingen und Scheitern bekannter wie unbekannter Künstler, Architekten und Fotografen.

 

Diese Interessen und Neigungen haben mich im Laufe der Jahre immer wieder in Regionen reisen lassen, aus denen eben diese Menschen kommen. Menschen, deren Werke mir gleichermaßen Anspruch und Maßstab sind, die mich ratlos Staunen lassen und animierend Zuversicht vermitteln auf den nicht selten steilen und steinigen Wegen - im Gebirge des Lebens. 

 

Und so bin ich immer wieder auch ins Bergell, nach Graubünden gereist. 

Anfänglich auf den Spuren Alberto Giacomettis unterwegs, lernte ich im Verlauf vieler darauf folgender Reisen auch die mir scheinbar vertrauten Werke Rilkes und Nietzsches, oder aber die Bilder Segantinis in einem mir neuen, anderen Licht, zu lesen und zu sehen - 

nämlich in ihrem Licht, im Licht ihrer Entstehung, ihrer Erscheinung.

 

Dieses zauberhafte Licht, profanes Phänomen physikalischer Wirklichkeit ebenso wie philosophische Metapher für wesentlich größere, gesellschaftliche, universelle Zusammenhänge, beleuchtet für mich auf faszinierende Art und Weise auch hier, in der Bergwelt Graubündens, die wunderbare, alle meine Arbeiten durchziehende Idee der Wechselwirkung von Gegend und Gedanke. 

 

Und so sind die spektakulären, unerreichbaren Grate, Flanken und Wände, die schmelzenden Gletscher über den wachsenden Feldern von Stein und Geröll, hoch oben über den nach wie vor in dieser Landschaft lebenden und arbeitenden Menschen, für mich nicht mehr und nicht weniger als ein Gleichnis: für unser so oft nicht zu verstehendes aber doch irgendwie zu meisterndes, absurdes, seltsam schönes Leben.

 

Aus diesem kommend und in dieses hinein, unter anderem, immer wieder, diese Zeichnungen.

 

 

Edgar Knobloch

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